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Lithographie als künstlerisches Medium

Schon bald nach der Erfindung, die eigentlich zur Reproduktion von Musiknoten und Texten gedacht war, erkannten Künstler die Möglichkeiten des neuen Mediums. Francisco Goya z.B. beschäftigte sich noch im Alter von über 80 Jahren mit der Kreidelithographie und  schuf  Stierkampfszenen, die heute zu den Ikonen dieser Technik gehören.

Andere, nicht minder bedeutende Künstler folgten: Delacroix, Menzel, Daumier, Toulouse-Lautrec u.v.m.

Gemessen an der Menge der kommerziellen Lithographie ist die künstlerische Anwendung im 19.Jh. trotz der großen Namen unbedeutend. Erst im 20. Jh., mit dem Aufkommen der Moderne, begann die große Zeit der künstlerischen Lithographie.

Der nun gefragte freie, spontanere, gestische Duktus in Malerei und Zeichnung fand in der Lithographie das ideale druckgraphische Medium,da hier direkt vom Zeichenstrich gedruckt wird, ohne das dieser durch Schneiden, Radieren o.ä. in seinem ursprünglichen Ausdruck verändert wurde. Praktisch alle bedeutenden Künstler der klassischen Moderne haben mit den Steinen gearbeitet; allen voran Pablo Picasso mit über 2000 Lithographien.

Diese Beliebtheit läßt sich auch anhand der vielen Techniken erklären, die dem Künstler zur Verfügung stehen:

Kreidelithographie: Die verbreitetste Technik, gezeichnet wird mit Stiften oder vierkantigen Stäbchen, ähnlich der Zeichenkreide für Papier.

Tuschlithographie: Die Lithotusche kann gedeckt und verdünnt, mit Pinsel, Stahlfeder, Rohrfeder, Zahnbürste (Spritztechnik), Airbrush etc. verarbeitet werden.

Schabtechnik: Das Gegenteil, der Stein wird zuerst ganzflächig geschwärzt und die Helligkeiten mit Schaber, Schleifpapier, Skalpell etc. herausgearbeitet.

Materialdruck: Mit Umdruckfarbe (s. u.) eingefärbte strukturierte Oberflachen wie z.B. Blätter, Stoffe, Holz, Finger (auch unfreiwillig) können auf den Stein abgedruckt werden

Bilder aus Zeitschriften, Fotokopien, Laserdrucke können mittels Lösungsmittel, die die Druckfarbe bzw, den Toner anlösen, auf den Stein übertragen werden.

Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der Möglichkeiten. Grundsätzlich kann alles, was Fett oder Lack enthält, angewandt werden, so auch Schokolade, Lippenstift, Edding, Sprühlack etc. etc.

Alle Techniken lassen sich auch gemischt anwenden. Korrekturen sind jederzeit, auch nach einem Probedruck und mehrfach möglich. Darüber hinaus bietet bietet die Lithographie den Künstlern noch etwas an, was man durchaus als den zweiten Kern des Verfahrens bezeichnen kann:

Den Umdruck, von Senefelder auch Autographie genannt.

Damit kann der Künstler, im Gegensatz zu allen anderen Verfahren, auch indirekt arbeiten. Beim direkten Arbeiten auf einer Druckplatte muß er ja spiegelbildlich zeichnen, damit das Bild nach dem Druck seitenrichtig auf dem Papier steht. Dies kann z.B. bei Architektur oder Schrift zum Problem werden.

Beim Umdruck wird mit dem üblichen lithographischen Zeichenmaterial seitenrichtig auf ein beschichtetes sog. Umdruckpapier gearbeitet. Die Zeichnung wird dann mit Druck, Feuchtigkeit und Wärme wie ein Abziehbild auf den Stein übertragen – und steht dann seitenverkehrt. Nicht nur als Abklatsch, denn das ganze Zeichenmaterial befindet sich jetzt auf dem Stein, als ob der Künstler diesen direkt lithographiert hätte. Das Umdruckpapier ist leer. Auf dem Stein kann natürlich noch weitergearbeitet werden.

Diese Möglichkeit erweitert das künstlerische Spektrum nochmals ungemein: Statt auf den schweren Steinen kann z.B. für Landschaft, Aktstudien, Architektur u.v.m.das gewohnte Papier verwendet werden mit der Option, Schlechtes gleich wegwerfen zu können, ohne daß gleich ein ganzer Stein abgeschliffen werden muß. Lithographiekreide kann auch auf unbeschichtetem Papier verwendet werden und so dessen Struktur z.B. von geripptem Papier miteinbezogen werden. Die lithographischen Selbstportraits von Käthe Kollwitz z.B. sind so entstanden. Ebenso viele der frühen Lithographien von Pablo Picasso, bevor er sich an den Stein direkt herantraute.

Der Umdruck ist kein Ersatz für die direkte Lithographie, sonden eine ihr eigene Technik, die ihr Spektrum stark erweitert. Collagen, Frottagen, viele Zufallstechniken sind nur durch ihn möglich.

Farblithographien entstehen durch den Übereinanderdruck mehrerer Steine mittels lasierender Druckfarben. Hauptschwierigkeit ist nicht der genaue Passer der einzelnen Farben (ein rein handwerkliches Problem), sondern die Tatsache, daß die Farbigkeit erst beim Zusammendrucken erscheint. Das Zeichenmaterial ist aber immer schwarz, so daß der Künstler beim Lithographieren      die Farben und die Mischungen, die durch den Übereinanderdruck entstehen, nur in der Vorstellung sieht. Gute Farb- lithographien erfordern wegen dieser Vorwegnahme der Farbigkeit viel Erfahrung. Bei allen Künstlern, die sich damit länger befaßt haben, läßt sich die Zunahme dieser Erfahrung anhand der Reihe ihrer Blätter sehr gut beobachten, z.B. bei Marc Chagall.

Durch diese vielen Möglichkeiten läßt sich anhand der Lithographie das Wesen des paradoxen Phänomens „Originalgraphik“ (gedruckt, aber Original) sehr gut darstellen:

Es soll keine Vorlage reproduziert werden, sondern der Druckprozeß ist hier notwendig um das Original erst zu erzeugen. Der Stein ist nicht das Original, obwohl der Künstler auf ihm gearbeitet hat, sondern ein Medium, denn das Ziel ist ein Bild auf Papier.

Deutlich wird dies auch anhand eines berühmten Beispiels:

1945 bis 1946 schuf Pablo Picasso den „Stier“, in 11 Zuständen. Das heißt, er begann mit einer naturalistischen Tuschzeichnung auf Stein, ließ 8 Probeabzüge drucken, überarbeitete ihn dann durch Wegschaben und Dazuzeichnen, ließ wieder 8 Probeabzüge drucken u.s.f.,bis als letzter Zustand ein sehr stilisierter Stier als reine Linien- zeichnung übrig blieb. Durch die dem Medium eigene Möglichkeit, Zwischen- zustände herzustellen, wird hier der ganze Prozeß der Bildentstehung sichtbar.

Am Beispiel der Farblithographie wird „Drucken als Medium“ noch auf eine andere Art deutlich: Die Steine selbst tragen zwar jeweils einen Teil des Bildes, es entsteht als Ganzes aber erst durch das Zusammen- drucken in den entsprechenden Farben. Natürlich kann auch noch während des Druckens der jeweilige Farbton verändert werden, so daß sich keine geschlossene Auflage, sondern eher eine Sammlung von Variationen ergibt.

 

 


Edition Ulrich | edition.ulrich@gmx.de